In der am 23.02.2023 erschienenen Ausgabe der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW) kommt Prof. Dr. Dr. Christian Dierks in einem Interview zum Stand der Digitalisierung des Gesundheitssystems in Deutschland zu Wort. Dierks setzt sich kritisch mit den bestehenden Defiziten hierzulande auseinander und zeigt auf, was auf dem Weg zum deutschen „Gesundheitswesen 3.0“ noch geschehen muss.
Ein Überblick der Kernbotschaften aus dem Interview:
- Zu viele Köche verderben den Brei: Deutschland verfügt über rund 100 Behörden und Gremien zur Interpretation von mehr als 50 regulatorischen Rahmenwerken für Gesundheitsdaten – dieses „undurchdringliche Dickicht“ gilt es schnellstmöglich zu lichten.
- Die unterschiedlichen rechtlichen Vorgaben der Europäischen Union, des Bundes und der Länder gleichen einem föderalen Flickenteppich – eine Konzentration der Zuständigkeiten und eine Angleichung der Rechtsnormen sind zentrale Aufgaben dieser Legislaturperiode.
- Die vorherrschende Trennung zwischen Versorgungsdatenverarbeitung und Forschungsdatenverarbeitung muss aufgehoben werden – Daten aus der Versorgung müssen der Forschung zugänglich gemacht werden und deren Ergebnisse wiederum umgehend an die Versorgung übermittelt werden, so dass die Erkenntnisse direkt am Patienten umgesetzt werden können.
- Daten aus Deutschland werden nicht einmal in Deutschland ausreichend genutzt, ganz zu schweigen von der Nutzung in der internationalen Forschung. Deutschland muss eine stärkere Rolle bei der Bildung eines EU-Data-Space für die Nutzung von Gesundheitsdaten spielen.
- Ein Datennutzungsgesetz muss die Voraussetzungen einer sicheren Nutzung (auch durch Unternehmen der privaten Wirtschaft) schaffen – Datennutzung darf nicht aufgrund bestehender Risiken unterbleiben.
- Der Einsatz von KI in der Forschung mit Gesundheitsdaten birgt großes Potenzial. Eine zu starke Einschränkung durch europäische und nationale Gesetzgeber könnte die Erfolgschancen dieses Forschungsbereichs und dieser Technologien minimieren.
- Die wichtigsten Stellschrauben für ein deutsches „Gesundheitswesen 3.0“ liegen in der Bewahrung des Datenschutzes innerhalb eines forschungsfreundlichen Maßes, der Arrondierung des Rechtsrahmens, der Herstellung von Interoperabilität sowie der Ermöglichung der Datennutzung.